Meine Erfahrungen zur unterdrückten Linkshändigkeit
Zum Welt-Linkshändertag am 13. August 2023
Erkannt habe ich sie im Herbst 2019 in einem Alter von 64 Jahren. Sie lag unter all den Prägungen und Mustern, die ich in meinem Leben schon transformiert hatte. Es löste ein Glücksgefühl in mir aus. Vorher tauchte einmal in der Aufarbeitung meiner Themen der Satz auf: „Ich möchte mit links schreiben“.
Bei der Umstellung auf die linke Schreibhand ließ ich mich professionell begleiten, um eine Überforderung der linken Hand zu vermeiden. Zu dem Zeitpunkt war es mir endlich möglich, mein Buch zu schreiben – Aufstehen in der Weiblichkeit – das im März 2022 erschienen ist. Diese Blockade verhinderte bis dahin mein Schreiben, obwohl der Inhalt des Buches aufgeschlagen vor mir lag. Im Anschluss habe ich viele redaktionelle Beiträge geschrieben, aus purer Lust am Schreiben.
Zwei Jahre später hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, wirklich in meiner Mitte angekommen zu sein, ein starkes Gefühl von Geborgenheit, von einem inneren Zuhause und einer Allverbundenheit, was mir trotz all der Aufarbeitung bisher versagt war und dauerhaft erhalten blieb. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich eher ein Gefühl des Getrieben-Seins, immer aktiv, nicht wirklich zur Ruhe kommend. Auch fühlte ich mich fremd unter den Menschen und nicht zugehörig, so dass ich viel Anstrengung unternahm, gesehen und gehört zu werden aus einem inneren Zwang heraus, aus dem inneren Getrieben-Sein.
Jetzt, vier Jahre später, erschien mir im Traum das Bild, dass dieser Zwang, mit rechts schreiben zu müssen, einen traumatischen Schock ausgelöst hat. Zuvor war mir in der Meditation meine Grundschullehrerin tränenüberströmt erschienen. Sie bat um Vergebung für diesen Übergriff. Zu den Auswirkungen des Schock gehörte, dass ich mich sowohl körperlich als auch geistig behindert gefühlt hatte und mich beruflich für Kinder einsetzte, denen äußerlich ihre Lernbehinderung nicht anzusehen war. Während des Studiums wurde mir schnell bewusst, dass eine Arbeit mit geistig oder körperlich behinderten Kindern nicht in Frage kam, es war mir zu nah. Ich studierte Sprachheilpädagogik, heute weiß ich, dass Stottern u.a. eine Folge der Verdrehung der Hemisphären-Dominanz ist. Es lässt sich auf ein Ohnmachtsgefühl zurückführen, sich Obrigkeiten ausgeliefert zu fühlen und nicht sagen zu können, was zu sagen ist.
Ich habe in der Transformation der Schockerfahrung wahrgenommen, dass dieses Gefühl des hilflos einem Unrecht ausgeliefert zu sein, mein Leben stark bestimmt hat. So setzte ich mich schon als Klassensprecherin für diejenigen ein, bei denen ich dieses Gefühl wahrnahm und unterstütze sie. Das zog sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Es ging mir um Chancengleichheit, denn ich spürte, dass ich mein Potential nicht wirklich ausschöpfen konnte und kräftemäßig schnell an meine Grenzen geriet. So bin ich wieder und wieder über meine Leistungsgrenze hinweggegangen. Erst mit der Transformation des Schockerlebens bin ich in meine Kraft gekommen. Ich muss sagen, vorher war mir nicht bewusst, was Kraft überhaupt bedeutet. Es ist, als hätte jemand einen Schalter in mir umgelegt – eine ganz neue Erfahrung meines Daseins.
In der Auflösung der Schockerfahrung wurde deutlich: Ich fühlte mich mundtot gemacht. So hat es nahezu mein ganzes Leben gedauert, meine Stimme zu finden und ihr die individuelle Ausdruckskraft zu geben, ohne in den Kampf zu gehen, authentisch aus der jeweiligen Situation heraus.
Zum Glück bin ich mit einem starken Willen ausgestattet und wollte in diesem Leben erfahren, wie es möglich ist, hier auf Erden glücklich und frei zu leben. So habe ich in meinem Inneren geforscht und kann heute sagen: „Ja, es ist uns alles möglich, sofern wir diese inneren Begrenzungen transformieren, wobei ich die Auflösung der unterdrückten Linkshändigkeit als essenziell erachte.“
Ich erfahre sie als die wesentliche Blockade, die weiblichen Qualitäten wert zu schätzen und zu leben. Es sind die Qualitäten des SEINS, die wir hier systematisch bekämpft haben. Es ist die Ruhe, die allumfassende Ordnung anzunehmen, die anderen sein zu lassen, ohne sie verändern zu wollen und sich selbst mit seinem individuellen Potential zum Ausdruck zu bringen. Ja, es war eine körperliche und geistige Behinderung meines Seins. Ich denke zum Beispiel an die Koordinationsschwierigkeiten beim Erlernen des Tangos, bis dahin hatte ich dergleichen Anforderungen eher vermieden. Auf geistiger Ebene fühlte ich mich ausgebremst, nicht wirklich in der eigenen selbstbestimmten Ausdruckskraft.
Die weibliche Seite in uns, repräsentiert durch die linke Körperhälfte, ist über das Herz die Eintrittspforte in die Kraft und Weisheit unserer Seele. Durch die Unterdrückung der Linkshändigkeit ist dieser Zugang verschüttet. Wenn die Menschen, denen aufgrund der Verdrehung der Dominanz ihrer Gehirnhälften der Ausdruck und die Wertschätzung der weiblichen Qualitäten nicht möglich ist, dann kommt es zu diesem Ungleichgewicht auch in unserer Welt. Wir sehen es überall. Der rationale Verstand, der das TUN repräsentiert, ist nicht angebunden ans Herz und macht losgelöst vom großen Ganzen sein eigenes Ding, in uns und im Außen. An diesen Punkt haben wir uns als Menschheit gebracht. Ausgewogenheit bedeutet, dass jeder zweite von uns ein Linkshänder ist. Es kann nicht anders sein, denn die Schöpfung ist auf Gleichwertigkeit angelegt.
Es gilt aus meiner Erfahrung, dass beide, Frauen und Männer, sich der Führung ihrer weiblichen Herzensqualitäten überlassen. Es ist die lebenspendende Energie und die Unterdrückung der Linkshändigkeit hat die Yin-Kraft nahezu zum Verschwinden gebracht. Es wird Zeit für die gelebte Gleichwertigkeit der weiblichen und männlichen Qualitäten in uns, wohlgemerkt, das Weibliche übernimmt dabei die Führung, wollen wir in Frieden leben.
Ich habe das persönlich in mir wahrgenommen in meinem Leben und berichte von meinen Erfahrungen, die jetzt in dieses Wissen münden. Während ich früher aus einem Gefühl des Mangels heraus ein Überleben gestaltet habe, bin ich jetzt im wunderbaren Einheits- oder Fülle-Bewusstsein. Die Schlüsselqualifikation ist das Fühlen für uns alle, nur so finden Selbstmitgefühl und Mitgefühl wieder ihren Platz in unserer Welt. Aus der Stille und Ruhe des SEINS, dieser weiblichen Qualität, fühlen wir die Schönheit unseres Wesens und der Wesen um uns herum und haben dann nur den einen Wunsch, alles Leben zu schützen und zu bewahren und im Einklang zu sein.
Wie uns das gelingt, zeige ich in meinem Buch auf (www.evamariazander.de).
Potsdam, 13.08.2023 Eva-Maria Zander